Ein Passivhaus ist wie eine Plastiktüte - ungesunde Passivhäuser

Stararchitekt Thomas Rau aus den Niederlanden will sich mit einer Reihe von eklatanten Falschaussagen auf Kosten von Umwelt und nachkommenden Generationen profilieren. - Ein Star??

falsche Kernbotschaft

Originaltext aus FAZ

Hier die sachliche Begründung für unsere Empörung von Katrin Krämer (Passivhausinstitut).

Sehr geehrter Herr Rau,

mit Interesse haben wir Ihr Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zum Materialkreiskauf von Baumaterialien mit Erscheinungsdatum 9. Januar 2022 gelesen.

Interessant ist, dass sich der Titel zum Interview auf lediglich einen kleinen Teil Ihres Interviews bezieht und nicht auf Ihre eigentlichen Aussagen zum Materialkreislauf. Das ist sicherlich eine Entscheidung der Redaktion und liegt nicht in Ihrem Verantwortungsbereich.

Wir möchten Sie jedoch darauf aufmerksam machen, dass Ihre Aussagen zum Passivhaus-Standard den Eindruck erwecken, dass diese auf sachlich nicht korrekten Annahmen basieren.

Angemerkt sei noch, dass die Realisierung von hoch energieeffizienten und langlebigen Gebäuden einem von Ihnen befürworteten nachhaltigen Materialkreislauf alles andere als entgegensteht.

Unsere Anmerkungen zum Abschnitt "Passivhaus":

Zwei der fünf unverzichtbaren Grundprinzipien des Passivhaus-Standards sind zum einen die Luftdichtheit des Gebäudes sowie der Einbau einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung.

Die Luftdichtheit des Gebäudes unterstützt dessen geringen Energiebedarf (und fördert maßgeblich den Wohnkomfort). Wie Sie wissen sorgt die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung für eine stete Zufuhr frischer Luft von außen. Nachweislich verfügen Gebäude mit Lüftungsanlagen über eine höhere Luftqualität als Gebäude ohne.

Warum Sie daher den sachlich nicht korrekten Vergleich bemühen, Gebäude im Passivhaus-Standard seien wie eine „große Plastiktüte“, in die man „Fenster reingemacht“ habe, ist nicht verständlich.

Über die Gründe für diesen Vergleich können wir nur spekulieren. 

Gebäude im Passivhaus-Standard werden mittlerweile neben Privatleuten auch von zahlreichen Wohnbauunternehmen wie der FAG Frankfurt, der Neuen Heimat Tirol und anderen flächendeckend realisiert. Die Bewohner schätzen die planbar geringen Nebenkosten und den hohen Wohnkomfort. Die Unternehmen schätzen auch die geringe Fluktuation der Mieter sowie geringen Leerstand der Wohnungen.

Städte wie Köln, Frankfurt am Main und Brüssel und zahlreiche andere haben den Passivhaus-Standard in städtischen Bauvorschriften verankert. Die Stadt München fördert den hoch energieeffizienten Standard finanziell lohnenswert.

Unter dem umwelttechnisch versierten Heidelberger Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner entstand mit der Bahnstadt Heidelberg Europas größtes Passivhaus-Quartier: Kitas, Schulen, Einkaufszentrum, Feuerwache, Restaurants, Bürgerhaus und aktuell auch Konferenzzentrum sowie Wohngebäude für 6000 (!) Menschen – alles Gebäude im Passivhaus-Standard, klimafreundlich und zukunftsfähig.

Alle mit der Wohngesundheit und dem Komfort einer Plastiktüte?

 

Mit freundlichen Grüßen

Passivhaus Institut

Katrin Krämer

 

Hier die Stellungnahme des Physikers Bernd Steinmüller, einem Praktiker der ersten Stunde in Sachen energieeffizientes Bauen:

Der im Artikel Befragte Thomas Rau ist Architekt wird als „radikaler Baumeister“ bezeichnet.

  • Er macht sich löblicher Weise Gedanken über die Wiederverwendung von Baumaterialien – was richtig, aber auch in Passivhäusern möglich und erwünscht ist. Hier einen Gegensatz zu konstruieren und Passivhäuser als „einseitige“ Lösung für ein komplexes Problem zu desavouieren geht daher überhaupt nicht! Selbstverständlich kann man sie auch aus Holz und geliehenen Bauteilen bauen.
  • Sie als „große Plastiktüte“ zu bezeichnen, in die man „ein paar Fenstern hinein gemacht hat“ ist daher völlig daneben. Passivhäuser können völlig ohne Plastik auskommen und müssen – im Nichtwohnbereich – noch nicht einmal Fenster haben … und wenn man Fenster „hineinmacht“, so wird das gerade in Passivhäusern mit besonderer Sorgfalt und Überlegung bzgl. der Konsequenzen getan!
  • Selbstverständlich kann (und muss – explizites Zertifizierungskriterium!) man Fenster in Passivhäusern in der Regel auch öffnen können und das werden sie auch … wie wissenschaftliche Feldstudien zeigen.
  • Im Gegensatz zu traditionellen Häusern haben sie aber zusätzlich eine Lüftungsanlage, die selbst bei geschlossenen Fenstern, Windstille und fehlendem temperaturgetriebenen Luftwechsel für eine frische Raumluft sorgt, so dass ihr Raumklima in der Regel nachweislich gesünder ist als in Gebäuden ohne Lüftungsanlage – in denen (wie wissenschaftliche Studien und Felduntersuchungen zeigen) in der Winterkernzeit die Fenster sogar häufig geschlossen bleiben, so dass sich bedenkliche, völlig unhygienische Raumluftzustände einstellen können, die anderseits in Passivhäusern  vermieden werden.
  • Dabei gewinnen sie aus der ungesunden verbrauchten Fortluft auch noch bis zu 90% Wärme und Energie zurück, die andernfalls ungenutzt durchs Fenster weggeworfen würde.
  • Die Aussage „Wir können die Energiefrage ja nicht dadurch beantworten, dass wir die Menschen in einem ungesunden Umfeld leben lassen“ ist daher völlig widersinnig, zynisch und hat mit Passivhäusern nur insofern etwas zu tun, als diese das Gegenteil bewirken. Daher es ist nicht nur falsch, was der „berühmte Mann“ behauptet, sondern das Gegenteil ist wahr!

 

Dies ist alles seit langer Zeit bekannt, wissenschaftlich aufgearbeitet und geklärt,

  • so dass es ein besonders schlechtes Licht auf den „Stararchitekten“ (???) wirft, wenn dieses Wissen an ihm völlig vorüber gegangen ist, er sich aber trotzdem erdreistet, Fachkunde vorspiegelnd darüber Auskunft zu geben.
  • Bereits im weltweit ersten Passivhaus-Projekt Kranichstein wurden hierzu in den neunziger Jahren entsprechende Untersuchungen gemacht, die als IWU-Berichte und Publikationen erhältlich sind.
  • Bereits vor über zwei Jahrzehnten wurde eine ganze Siedlung - die Mitte der neunziger Jahre zur Hälfte aus Passivhäusern, zur anderen Hälfte aus Niedrigenergiehäusern errichtet wurde - wissenschaftlich begleitet, physikalisch, technisch, ökonomisch, sozialempirisch analysiert  (u.a. Ebel, W.; Flade, A.; Großklos, M.; Jökel, B.; Loga, T.; Müller, K. & Steinmüller, B. (2001): Wohnen in Passiv- und Niedrigenergiehäusern – Eine vergleichende Analyse am Beispiel der Gartenhofsiedlung Lummerlund in Wiesbaden-Dotzheim. Darmstadt: IWU.) … mit äußerst positiven Ergebnissen für die Passivhäuser. Sie waren auch aus Nutzersicht „klare Sieger“.  Die Erkenntnisse übertragen sich auf Nichtwohngebäude, in denen ebenfalls die Vorzüge des Passivhauses messbar und wissenschaftlich einwandfrei nachweisbar zum Tragen kommen.
  • Auf meiner Homepage www.bsmc.de, der homepage des Passivhaus-Institutes www.passiv.de, dem online Wissenslexion www.passipedia.de  etc. etc. gibt umfangreichste wissenschaftliche Studien, Berichte, Publikationen sowie in der Passivhaus-Projektdatenbank  https://passivehouse-database.org/index.php tausende gebaute Beispiele, die eindeutig beweisen, dass der Autor und die FAZ mit ihrem Artikel völlig daneben liegen und die wissenschaftlich-technische Realität in völlig unzulässiger Art und Weise mit den Füßen treten.

 

Es ist kaum zu fassen, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich ihre eigene Gedankenwelt schaffen, den Kopf vor den Realitäten in den Sand stecken und andere sogar auffordern, das gleiche zu tun.

 

Franz Freundorfer unser Geschäftsführer bemerkt noch kurz:

"Gerade begreifen unsere Politiker, dass es einfach möglich ist, 75 bis 90 Prozent der aktuell für Heizung und Kühlung verschwendeten Energie einzusparen. Klar gibt es Mitmenschen, die das nicht verstehen und Unsinn reden oder schreiben. Wenn man das in der FAZ schreibt, ist das nicht das Problem solcher Mitmenschen, sondern handwerklicher Pfusch in der Redaktion."